Visselhoevede - WITTORF · Die Häufung mysteriöser Krankheitsfälle beunruhigt die Menschen in Wittorf. In dem Ort, der direkt an der Verpressstelle für Lagerstättenwasser in Grapenmühlen liegt, wächst der Widerstand gegen die umstrittene Entsorgung der giftigen Substanz, die bei der Förderung von Erdgas anfällt. Nun hat sich eine Gruppe gegründet, die nicht daran glauben will, dass es sich bei der Häufung von Krankheitsfällen um einen Zufall handelt. Als Wittorfer Bürger für Umwelt und Gesundheit (WUG) fordern sie den sofortigen Stopp der Verpressung. Doch damit nicht genug.
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Sorgen sich um die Gesundheit der Wittorfer Bürger: Gerd Richter (v.l.), Andreas Rathjens, Kathrin Otte, Klaus Hoins und Denis Schimmeyer. ·
Als sein Nachbar über Lungenprobleme klagt, denkt Denis Schimmeyer zunächst nicht an einen Zusammenhang mit der Verpressstelle in Grapenmühlen. Dann wird er selbst krank. Er leidet an muskulären Problemen, sein Körper zittert. Zur Ursache für seine Krankheit erklärt sein Arzt, es handele sich um eine hirnorganische Veränderung, die vermutlich toxisch bedingt sei. Schimmeyer wird erstmals argwöhnisch. „Dann ist meine Frau krank geworden.“ Die Diagnose: Fibromyalgie, muskuläre Schmerzen. „Bei meiner Frau und mir kamen dann noch Herz-Rhythmus-Störungen dazu“, berichtet Schimmeyer, der nicht mehr an einen Zufall glauben will. Zumal auch die Natur sich zu verändern scheint.
„Der Brunnen auf unserem Grundstück hat sich verändert. Das Wasser hat angefangen, zu sprudeln“, erzählt Schimmeyer. „Da ist Gas hochgesprudelt.“ Auch der Teich seines Nachbarn spielt verrückt. „Eines Tages schwammen dort die toten Fische an der Oberfläche.“ Und auch im Graben am Feld blubbert das Wasser. Das Landesbergamt und das Gesundheitsamt untersuchen daraufhin Brunnen und Teich. „Die Ergebnisse lagen innerhalb der Grenzwerte, mehr hat man uns nicht mitgeteilt“, so Schimmeyer. Durch die Häufung dieser vermeintlichen Zufälle wächst in Wittorf jedoch der Widerstand gegen das „Endlager Grapenmühlen“.
Ausgehend aus der Nachbarschaft an der Wittorfer Straße gründet sich die WUG. Ziel der Gruppe ist es zunächst, den Bürgern in Wittorf unabhängige Informationen darüber zu liefern, „was da bei uns in den Boden gepresst wird“. Auf Einladung der WUG hat bereits der Toxikologe Dr. Hermann Kruse in Wittorf über die Substanzen berichtet, die in dem Lagerstättenwasser enthalten sind.
„Wir wollen herausstellen, welche Belastungen und Gefahren von Grapenmühlen ausgehen. Das Bergamt sagt, es gehen keine Gefahren davon aus. Wir wollen uns da aber lieber auf die Einschätzung unabhängiger Experten verlassen“, erklärt Klaus Hoins, der ebenfalls der WUG beigetreten ist.
Die Gruppe zweifelt vor allem an der Behauptung, das Lagerstättenwasser werde sicher in einer gänzlich isolierten Erdschicht verpresst. „In Wittorf hat es Anfang des 20. Jahrhunderts drei Erdölbohrungen gegeben, die die Sperrschicht durchstoßen haben. Die Verschüttung ist damals garantiert nicht nach heutigen Standards erfolgt. Darüber hinaus gab es hier vor fünf Jahren ein Erdbeben“, berichten die Gruppenmitglieder.
„Wurde die angeblich so dichte Tonschicht in Mitleidenschaft gezogen? Gibt es einen Katastrophenplan? Was ist mit dem Gas, das bei Arbeiten an der Verpressstelle ungefiltert verbrannt wird? Welche Gifte treten dabei aus?“ Auf diese Fragen will die WUG Antworten.
Zudem fordern die Wittorfer nicht nur den sofortigen Stopp der Verpressung, sondern auch die Überprüfung der Anlage auf ihre Dichtigkeit und eine regelmäßige Untersuchung des Bodens, Wassers sowie der Luft – und nicht zu vergessen: der Menschen.
„Wir haben einen Brief an die niedersächsische Landesregierung geschrieben, in dem wir fordern, den Gesundheitszustand der Wittorfer Bevölkerung zu untersuchen“, erklärt Kathrin Otte vom Gemeinnützigen Netzwerk für Umweltkranke (Genuk e.V.). Sieben Wochen seien seitdem vergangen. Eine Antwort ist bisher ausgeblieben. Doch die WUG will weiter Druck machen. Otte: „Wittorf ist erwacht, und es wird so schnell nicht mehr einschlafen.“
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